Die Expert*innen des Alltags
im Porträt
Woran glauben wir? Wie glauben wir? Was sind wir bereit, dafür zu tun?
Gebro Aydin
Experte des Alltags
Gebro ist Assyrer. Geboren und aufgewachsen ist er im Tur Abdin, einem Gebirge im Südosten der Türkei. Er kam mit 17 Jahren als Gastarbeiter nach Augsburg. Zum syrisch-orthodoxen Glauben bekennt Gebro sich bis heute. Mit Andersgläubigen kommt er gut zurecht, solange sie ihm ihren fremden Glauben nicht aufzwingen wollen. „Glaube ist Privatsache, etwas zwischen jedem Einzelnen und Gott. Glaube als Waffe, dafür hab ich kein Verständnis.“ Als Landschaftsgärtner gestaltet er kleine grüne Paradiese auf Erden. Für sein langjähriges kulturelles Engagement in dem von ihm mitbegründeten Mesopotamien Verein Augsburg wurde er mit der Medaille „Für Augsburg“ ausgezeichnet.
Christoph Bäck Experte des Alltags
Christoph (15) ist Christ und bekennt sich zum katholischen Glauben. Er besucht regelmäßig den Gottesdienst seiner Heimatgemeinde Haunswies. Seit er neun Jahre alt ist, engagiert er sich ehrenamtlich als Ministrant und bei den Sternsingern. Er betet regelmäßig und würde sich manchmal auch eine konkrete Antwort wünschen von Gott oder zumindest ein Zeichen: „Aber dass da nichts Eindeutiges kommt, damit muss man sich abfinden.“ Christoph ist sein Glaube sehr wichtig, aber Priester werden möchte er nicht. Denn er hat beobachtet: „der einzige Ansprechpartner, den die jüngeren Pfarrer am Abend haben, ist ihr Handy.“
Svede Baslik Expertin des Alltags
Als Kind war Sevde sehr gläubig. Gebete waren ihr wichtiger als Klassenfahrten. Wenn sich eine Freundin im Fastenmonat Ramadan erdreistete, vor ihren Augen Süßigkeiten zu verschlingen, machte sie das traurig. Denn eine Welt, in der die einen Süßes essen dürfen, während die anderen aus Glaubensgründen darauf verzichten müssen, empfand sie als unfair. Heute steht sie nicht mehr unter dem Druck eine perfekte Muslima sein zu müssen. Erst kürzlich hat sie ihr Kopftuch abgelegt. Auslöser war das Gefühl, nicht mehr die zu sein, „die ich der Welt zeige“, sagt sie.
Elinor Danzfuß Expertin des Alltags
Ostern, Weihnachten, Pfingsten - Ellinor feiert die großen religiösen Feste gerne in ihrer mennonitischen Gemeinde. Auch ihre Eltern sind Mennoniten. Mit weniger als 80 Mitgliedern ist es eine der kleinsten religiösen Glaubensgemeinschaften in Augsburg. Ellinor war 17 Jahre alt, als sie sich taufen ließ. Bei den Mennoniten ist es üblich, dass sich die Gläubigen erst als junge Erwachsene bewusst und freiwillig zur Gefolgschaft Jesu Christi bekennen. Nach dem Motto: „Erst kommt der Glaube, dann kommt die Taufe“. Ellinor gefällt der subversive Charakter des Neuen Testaments, vor allem der passive Widerstand mit dem Jesus seine Jünger lehrt, sich nicht alles gefallen zu lassen. Ansonsten spielt der Glaube in ihrem Alltag keine so große Rolle.
Ali Khakani
Experte des Alltags
Ali ist Moslem und bekennt sich zum Islam. Mit zwei Jahren ist er mit seinen Eltern aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Als „Mainstream-Moslem“ sieht er sich überhaupt nicht. „Man hat schon die Hälfte der Religion erfüllt, wenn man barmherzig ist, friedlich und verzeiht“, sagt er. Trotzdem ist es ihm wichtig, fünf mal am Tag zu beten. Nicht immer findet er dafür gleich den passenden Ort. Der Koran ist für ihn ein Kunstwerk, das man im Kontext seiner Entstehung sehen muss. Wo es für ihn geht, versucht er, danach zu leben: kein Schweinefleisch, kein Alkohol, keine Drogen. „Ich hasse nichts auf der Welt, außer Doppelmoral“, sagt Ali. Mit Gläubigen, die z.B. nicht fasten, aber andere belehren wollen, kann er nichts anfangen.
Elisabeth Menacher
Expertin des Alltags
Elisabeth ist bekennende Christin. Geboren und aufgewachsen ist sie in Augsburg. Eine ihrer Schwestern lebt in einem Kloster. Elisabeth fand im christlichen Glauben Geborgenheit und Halt in schwierigen Zeiten. Ihre erste Ehe scheiterte und wurde geschieden. Sie heiratete später ihre große Jugendliebe. Ein Glücksfall für das Paar. Doch damals und bis heute ein Makel in den Augen der katholischen Kirche. Seitdem beschäftigt sich Elisabeth mit der Frage: Was ist Schuld und kann ich jemals frei davon sein?
Horst-Walther Menacher
Experte des Alltags
Horst-Walther fühlt sich von Gott getragen. Seinem Bekenntnis nach ist er ein aufgeklärter Christ, der mit Herz und Verstand nach Wahrhaftigkeit strebt. Obwohl er konfirmiert ist, fühlt er sich der Gottesmutter Maria nah. „Ich bin zu 51% evangelisch und zu 49% katholisch.“ bekennt er. „Die absolute Wahrheit hat keiner.“ In seinem Glauben spiegeln sich Dankbarkeit und Lebensfreude. Sein Bekenntnis ist ihm ein sicherer Anker im Alltag. Denn als Bestatter erlebt er immer wieder, wie viel Zuversicht der Glaube spenden kann. Wenn er einen Verstorbenen auf seinem letzten Weg begleitet, bleibt er deshalb nicht außen vor, sondern betet für ihn und seine Angehörigen.
Luzia Menacher Expertin des Alltags
Früher hat Luzia noch an Engel geglaubt. Aber diese Zeiten sind Geschichte. Auch die katholischen Sonntagsgottesdienste besucht die Schülerin nicht mehr so häufig wie früher. „Der Pfarrer kommt immer mit seinem alten Zeug: ‚Gnade und Barmherzigkeit’ was soll ich damit? Heute sagt die 16 Jährige: „Ich glaub an Gott, ganz einfach“. Und wenn es um religiöse Toleranz geht, hält sie es mit der Ringparabel aus Lessings „Nathan der Weise“: „Es könnte jede Religion die richtige sein, es kommt darauf an, wie wir uns darstellen.“
Fred Odih Experte des Alltags
Fred kommt aus Nigeria. Sein religiöses Erweckungserlebnis hatte er mit 17 Jahren. Seitdem bekennt er sich zum Christentum. Von seiner Familie wurde er deshalb verstoßen. Sie wollten und konnten Freds neues Bekenntnis nicht mit ihrem traditionellen Voodoo-Kult vereinbaren. „Glauben macht mich glücklich, weil er mir Frieden und Freiheit gibt. Im Christentum kann man friedlich mit allen Religionen zusammenleben. Auch wenn es nicht immer alle machen.“
Marcella Reinhardt Expertin des Alltags
Fünf Buchstaben schmiegen sich wie ein filigranes Schmuckstück an Marcellas Hals: „Jesus“. Die Tätowierung ist ihr sichtbares Bekenntnis. „Mein Glaube ist Freiheit“, sagt die Augsburgerin. Diese Freiheit hat sie sich erkämpft: In einer katholischen Sinti Familie in Augsburg erzogen und aufgewachsen, entdeckte Marcella als Teenager das Freie Christentum für sich. Dazu bekennt sie sich bis heute. Etwas in „Gottes Hand“ zu legen, bedeutet für sie aber nicht abzuwarten und nichts zu tun. Man muss schon selbst aktiv werden. Nur gegen Gott geht nichts, davon ist Marcella überzeugt.
Brigitte Reng Expertin des Alltags
Brigitte bekennt sich zum evangelischen Glauben. Das war nicht immer so. Als Kind hat sie miterlebt, wie sich diejenigen, die es besser hätten wissen müssen, von der nationalsozialistischen Propaganda einspannen ließen: „Gott beschützte unseren Führer, Adolf Hitler und vernichte unsere Feinde“, hat ihr der Religionslehrer ins Schulheft diktiert. Als Erwachsene konnte sie nicht mehr so recht an die Jungfrauengeburt glauben. Brigitte trat aus der Kirche aus. Doch weil ihr etwas fehlte, kehrte sie zurück. Heute ist die Kirche für die 86-Jährige ein Ort der Geborgenheit, an dem sie sich auch engagieren kann.
Rattaphon Sonkhanawong
Experte des Alltags
Als er vor 13 Jahren in der bayerischen Provinz ankam, hätten ihn einige Einheimische gerne zum Christentum bekehrt, erzählt Rattaphon schmunzelnd. Der thailändische Koch, den alle bei seinem Spitznamen „Boat“ rufen, bekennt sich zum Buddhismus und hat in der Tradition seiner Religion auch eine kurze Zeit in Belgien als Mönch gelebt. „Ich glaube nicht an Buddha, sondern an seine Lehre“, sagt er. In Königsbrunn besucht „Boat“ den buddhistischen Tempel und engagiert sich in der Jugendarbeit. Die Gebote des Buddhismus sind ihm wichtig. Das Alkoholverbot zum Beispiel, hat auch praktische Gründe. Denn wer nüchtern ist, sagt Boat, trifft im Zweifelsfall auch die besseren Entscheidungen.
Saadet Souleimantzek Expertin des Alltags
Saadet ist bekennende Muslima. Sie lebt und kleidet sich nach den Vorschriften des Islam. In der Türkei, dem Land, in dem sie geboren wurde, musste sie als Jugendliche für ihr Kopftuch kämpfen. Die damalige Regierung duldete in der Öffentlichkeit keine religiösen Zeichen. Auch nicht im Gymnasium. Also ging Saadet auf eine muslimische Schule. Doch der Abschluss, den sie dort erwarb, wurde nicht überall anerkannt. Heute betreibt sie zusammen mit ihrem Mann einen Feinkostladen in Augsburg. Ihr Wissensdurst und ihre Liebe zur Bildung sind ungebrochen. Nach Geschäftsschluss und an den Wochenenden studiert sie Türkische Literatur. Weil sie Wert darauf legt, sich ein eigenes Bild vom Koran machen zu können und diesen Gedanken weitertragen möchte, organisiert und leitet sie einen Korankreis für muslimische Frauen.
Irma Stripp Expertin des Alltags
Irmi bekennt sich nicht zu einer göttlichen Macht, sie glaubt an die Menschen und sich selbst. Menschliche Werte wie Nächstenliebe, Toleranz, Gerechtigkeit und Rücksichtnahme sind ihr wichtig, ohne dass sie einer Glaubensrichtung angehören muss. Bisher ist sie noch nicht aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Dem Grund dafür ist sie auf der Spur. Irmi ist Rentnerin. Wenn sie an die Kirche denkt, kommen ihr vor allem leere Rituale in den Sinn, Gläubige im Sonntagsgewand und Predigten, die davon handeln, wie Gott die sündigen Menschen bestraft. Sex vor der Ehe? „Auf jeden Fall, sollte man das haben“, sagt Irmi und „auch wenn ich evangelisch bin, ich möchte von keinem Priester, von keinem Pfarrer beerdigt werden.“
Sabine Zinser
Expertin des Alltags
Glauben war für Sabine schon als Kind ein innerer Impuls, aber auch ein Abenteuer. Aufgewachsen ist sie in der ehemaligen DDR. In der Schule war sie die Einzige, die sich heimlich zum evangelischen Religionsunterricht fortstahl. Hätte sie sich konfirmieren lassen, anstatt zur Jugendweihe zu gehen, hätte sie niemals studieren dürfen. Doch soweit sollte es erst gar nicht kommen. 1960 kam Sabine mit ihrer Familie in Augsburg an. Da war sie 14 Jahre alt. Weil sie bei der Bewerbung um einen Platz an der Schule der Englischen Fräuleins nicht lügen wollte, bekannte sie sich vor der Schuldirektorin zu ihrem protestantischen Glauben. Prompt wurde sie abgelehnt. Sabine hat sich davon nicht beirren lassen. Ich bin „alles“ sagt, sie heute. Sie glaubt an einen liebenden und verzeihenden Gott, ist vom Buddhismus fasziniert und schwört auf ihre Schutzengel. Wer das Leben liebt und Neuem gegenüber offen ist, kann sich in allen Religionen zu Hause zu fühlen.
Das Team zum
Bürgerbühnenstück
Susanne Reng Idee/Regie/Buch
Susanne beschloss kurz vor der Konfirmation, sich nicht konfirmieren zu lassen. Zu wenig verband sie mit dem evangelischen Glaubensbekenntnis und lügen wollte sie nicht. In ihrer Jugend war sie auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens auch in alternativen Religionsgemeinschaften unterwegs, bis sie im Theater einen Ort fand, an dem sie sich immer weiter mit den großen Fragen beschäftigen darf.Georg Sturm ist Diplom-Ingenieur (FH) mit einem Master of Engineering (MEng). 2007 machte er seinen Abschluss an der University of Ulster in Belfast, Irland. Seine Praxiserfahrung in den Bereichen Licht-, Ton- und Bühnentechnik basiert auf über 15 Jahren Arbeit in unterschiedlichen Sparten der Veranstaltungstechnik. Unter anderem arbeitet er seit Ende der Schulzeit (2000) im Kulturhaus abraxas als freier Techniker und betreut somit seit Langem die Aufführungen des Jungen Theaters.
Martina Ebel Szenographie/Ausstattung
Daniela Nering lebt und arbeitet als freischaffende Schauspielerin in Augsburg. Dort spielt sie seit 2002 in zahlreichen Stücken amMartina wurde als Kind katholisch getauft. Als Teenager nahm sie den Orthodoxen Glauben an. Da es kaum eine deutschsprachige orthodoxe Gemeinde in Deutschland gibt, besuchte sie die Gottesdienste je nach Wohnort mal in der russischen, griechischen, serbischen, syrischen und heute in der rumänischen Orthodoxen Gemeinde. Diese Erfahrungen sensibilisierten sie für Fragen des Fremdseins und der Glaubensheimat. Sensemble Theater, gibt Schauspielworkshops für Jugendliche und Erwachsene und leitet Amateurtheatergruppen. 2016 gab sie mit „Frau Mutter Tier“ (UA) von Alexandra Helmig ihr Regiedebüt am Sensemble Theater Augsburg, kurz darauf folgte „Zum Teufel mit der Jugend“ von Holger Franke am neuen Theater.
Ute Legner Musikalische Leitung
Die katholische Kirche spielte in Utes Kindheit und Jugend auf einem kleinen schwäbischen Dorf eine große Rolle, denn sie dominierte das Dorfleben, und das gefiel der jungen Ute überhaupt nicht. Trotzdem nahm Ute an diesem Leben teil – über die Musik. Sie sang im Kirchenchor, spielte bei Messen, und dies noch lange, nachdem sie das Dorf verlassen hatte um: Musik und Theater zum Beruf zu machen.
Katrin Dollinger Dramaturgie
Katrin gewann als Gymnasiastin regelmäßig die mit 1 DM dotierten Preisfragen im katholischen Religionsunterricht. Das vorläufige Ende ihrer religiösen Laufbahn läutete später die Erkenntnis ein, dass „Gott eine Erfindung des Menschen“ sei. Dennoch ist sie bis heute nicht aus der Kirche ausgetreten. Als freie Dramaturgin bringt Katrin Dollinger Ideen zu Papier und arbeitet mit Künstler*innen aus den Bereichen Schauspiel, Performance und Musik.